WAS IST METAKOGNITION

Wir werden hier das theoretische Konzept und die wichtigsten Forschungsergebnisse vorstellen. Zuvor aber möchten wir Ihnen verständlich machen, wie wir zu den evidenzbasierten Ergebnissen kamen. Also kurz ein paar Sätze zur Methodologie.

Wie wir arbeiten

Unsere Forschungsprojekte sind ökologisch valide. Wir haben mit ganz normalen Kursen aus den unterschiedlichsten Bereichen der Weiterbildung gearbeitet. Damit konnten wir den Gegebenheiten der alltäglichen Kurspraxis in hohem Maß Rechnung tragen. Üblicherweise basieren die meisten Forschungsergebnisse zu Metakognition wie zu vielen anderen Fragen des Lernens auf der weltumspannenden Gruppe der Studierenden aus den unteren Semestern. Sie gilt – ironisch formuliert - als die am besten erforschte Stichprobe der Welt.

Metakognitiv zu bearbeitende Aufgaben müssen hinreichend problemhaltig sein. Nur dann fühlen sich Lernende herausgefordert, die besondere geistige Anstrengung aufzubringen, die der Einsatz von Metakognition mit sich bringt.

Metakognitiv fundiertes Lernen sollte immer von Lautem Denken begleitet sein. Auf diese Weise wird der individuelle Lernprozess sowohl dem Betreffenden als auch den Mitlernenden sichtbar und in seinen metakognitiven Bestandteilen optimierbar.

Begriff und Aspekte von Metakognition

Wir möchten auf die Frage nach dem Begriff Metakognition nicht einfach nur mit einer abstrakten Definition antworten. Statt dessen analysieren wir Ausschnitte aus einem Thinking Aloud Protocol (TAP = Thinking Aloud Protocol). Die TAPs sind beide vom wissenschaftlichen Team erstellt und arbeiten mit dem hier abgebildeten Balkendiagrammen.

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TAP 1:

" (...) Hhm, in die Balken sind jeweils zwei Gruppen gepackt. Oben steht die Versuchsgruppe, das sieht man an der blauen Farbe. Also, der linke Balken ist deutlich kleiner als der rechte ... er geht nur bis etwa 100, der rechte dagegen geht bis rund 130. Hhm, was bedeuten die Zahlen? ... Klar, das ist die Anzahl an Personen, steht ja da. Und unter den Balken, auf der x-Achse ist die Bedeutung der Balken angegeben, nämlich 'begrenzt' beziehungsweise 'entwickelt'. Das bezieht sich auf den Grad der Problemlösung. Und da ist einmal die Vergleichsgruppe in der Mehrzahl, also bei 'begrenzt'. Bei 'entwickelt' ist es die Versuchsgruppe. In der Versuchsgruppe verfügen also mehr als in der Vergleichsgruppe über einen entwickelten Grad der Problemlösung (...) ."

TAP 2:

"Vor mir liegt ein Balkendiagramm, das eher einfach aufgebaut und vermutlich leicht zu verstehen ist. Aber dennoch will ich in Ruhe zunächst einmal möglichst vollständig die Informationen abrufen, die das Diagramm enthält. So bin ich sicher, nichts Wichtiges zu übersehen und kann dann wohl recht schnell etwas über die Bedeutung der Balken sagen.

Hhm, ich sehe die üblichen Bestandteile eines Balkendiagramms, die Balken und ihre jeweilige Größe, die Legende, hier mit dem Verweis auf zwei Gruppen, blau die Versuchsgruppe, hellbraun die Vergleichsgruppe, die Kategorien auf der x-Achse und die Werte auf der y-Achse. Diese gehen von 0 bis 125 und geben die Anzahl an. Auf der x-Achse ist der Grad an Problemlösung aufgetragen, und die kann einmal begrenzt und zum andern entwickelt sein. Ich übersetze das für mich so: Der eine Balken zeigt, wieviele in der Lage sind, lediglich einfache Probleme zu bearbeiten, und der andere, wie hoch die Zahl derjenigen ist, die auch komplexere Probleme lösen können. Und bei letzterem liegt die Versuchsgruppe deutlich vorn, mit circa 70 Personen gegenüber nur 50 aus der Vergleichsgruppe - das stimmt doch? - Noch mal kurz die Rechnung: Rund 130 ist die Gesamtzahl, davon sind 50 aus der Vergleichsgruppe, also gehören ... 80, genau! und nicht 70 zur Versuchsgruppe. Puh (...)"

Die Person im ersten TAP geht direkt auf die Aufgabe los, beschreibt kurz den Aufbau der Balken und vergleicht sie in ihrer Größe. Der x-Achse entnimmt sie die Bedeutung der Balken, fasst dann den rechten Balken in den Blick und hebt entsprechend dem optischen Eindruck hervor, dass in der Versuchsgruppe mehr Personen als in der Vergleichsgruppe über entwickelte Möglichkeiten der Problemlösung verfügen.

Die zweite Person schlägt einen anderen Weg ein. Bevor sie sich unmittelbar mit der Aufgabe beschäftigt, stellt sie einige Vorüberlegungen an. So etwa ruft sie Wissen über die vorliegende Grafik, also über Bakendiagramme ab. Danach geht sie das Diagramm shr systematisch durch, dabei immer mit Kategorien ihres Wissens um den Aufbau von Balkendiagrammen arbeitend.

Beide Aktivitäten, Abruf von Wissen und planmäßiges Vorgehen, verweisen auf zwei zentrale Aspekte von Metakognition: den deklarativen und den exekutiven Aspekt (Flavell 1984; Kaiser, Kaiser 2006):

Als deklarativ wird Wissen über Metakognition bezeichnet. Es erstreckt sich auf die drei Größen Personen, Aufgaben und Strategien. Personbezogenes deklaratives Wissen umfasst Kenntnisse über eigene Lern- und Denkgewohnheiten, über die bei anderen beobachteten Vorgehensweisen sowie über menschliche Denkprozesse allgemein. Aufgabenwissen hält Informationen über Aufgabentypen und ihre jeweiligen Schwierigkeitsgrade bereit. Strategiewissen bezieht sich auf die Einsatz- und Leistungsmöglichkeiten der dem Einzelnen bekannten Verfahren.

Das abstrakte Wissen um Vorgänge ist die eine Sache, wichtig ist aber nicht zuletzt, es auch erfolgreich anwenden zu können. Dieser vom Wissen abzuhebende Umsetzungs- und Anwendungsvorgang wird als der exekutive Aspekt an Metakognition bezeichnet. Hier laufen drei ineinandergreifende Aktivitäten ab: Planung (planning), Steuerung (regulation) und Kontrolle (monitoring) der Denkabläufe.

Im Schaubild dargestellt:

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